Eine Frau mit Hut sitzt draußen in einem Café, auf ihrem Tisch steht ein Laptop

„Wichtig ist, dass man sich nicht zurückzieht“

Joelle Wörtche hat zehn Jahre lang ihre demente Oma gepflegt. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und ihre Website „auf-ein-woertchen.de"

Neben dem Hilfsangebot der Pausentaste gibt es Plattformen, die über die Pflege von Angehörigen berichten. Wir haben mit Joelle Wörtche gesprochen, die zehn Jahre lang ihre demente Oma gepflegt hat. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und ihre Website „auf-ein-woertchen.de“.

Erzählst du uns kurz, um was es bei deiner Website „auf-ein-woertchen.de" geht und wie es dazu kam?

Ich habe meine Oma zehn Jahre gepflegt. Man sagt ja, „Bilder sagen mehr als 1000 Worte“ – und ich wollte meine Erfahrungen in der Pflege meiner Oma anderen Menschen in Text, Bild, Ton und Video vermitteln. Es ging mir aber auch darum, ein Angebot zu schaffen, dass alle an einen digitalen Tisch bringt. Ich wollte Brücken schlagen zwischen den Ärztinnen und Ärzten, der Tagespflege, dem familiären Umfeld und allen anderen Akteuren. Und so wurde „auf-ein-woertchen.de" zu meiner Bachelor-Arbeit. Ich habe gesagt: Ich ziehe mir meine pinke Mütze auf und ziehe mir die blaue Bluse an und schaue mir einfach verschiedene Einrichtungen aus der Welt der Demenz an. „auf-ein-woertchen.de" soll gerade für junge Menschen, die vor der Herausforderung stehen, andere Menschen zu pflegen, ein Angebot schaffen, das sie medial auf Augenhöhe anspricht.

Was waren die größten Herausforderungen in der Zeit, in der du deine an Demenz leidende Oma gepflegt hast? 

Das war zunächst sehr schwer, denn ich hatte anfangs keine Ahnung was Demenz bedeutet und was eigentlich zu tun ist. Und es galt auch hier schon, Brücken zu schlagen: Ich wollte ja nicht nur für meine Oma da sein, sondern auch meine Mutter unterstützen. Und dann hatte ich noch mein Studium, meine Freunde und die Beziehung zu meinem Partner unter einen Hut zu bringen.

Wie hast du das alles geschafft? Hattest du manchmal noch Zeit für Freunde und für dich selbst?

Ich hatte zum Glück ein sehr starkes Netzwerk mit meiner Familie, meinem Vater und meiner Mutter. Wir haben uns das aufgeteilt, ich konnte mein Studium machen, und habe mich dann um meine Oma gekümmert, wenn ich Zeit hatte. Und ich habe aus meinem Freundeskreis große Unterstützung erfahren. Wir haben uns in dieser Zeit dann oft bei mir getroffen und meine Oma mit in unsere Treffen und in unsere Hobbys integriert. Wir haben sie einfach mitgenommen, zu Spaziergängen, an den See oder ins Café. Das war immer sehr lustig, auch für meine Oma.

Möchtest du anderen Young Carers ein paar Tipps mit auf den Weg geben?

Ich selber bin zum Glück ein sehr positiver Mensch. Ich habe diese Zeit als Herausforderung angenommen und mir gesagt: ich wachse daran. Aber ich glaube, man muss sich diesen Herausforderungen gemeinsam stellen, mit der Familie, mit den Freunden, als Team, das ist ganz zentral. Ganz wichtig ist auch, dass man sich nicht alleine zurückzieht. Sich öffnen, rausgehen und sich Hilfe suchen – das ist wichtig.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich wurde nach dem Tod meiner Oma schon oft gefragt, ob ich das weiter machen möchte. Und ich sage definitiv ja. Denn so lebt meine Oma ein Stück weiter. Und ich kann anderen mit den Erfahrungen, die ich in den vergangenen zehn Jahren gemacht habe, weiterhelfen. Wir bekommen heute schon jede Woche Leserbriefe von Leuten, die mir sagen: „Vielen Dank, dass du das machst, ich bin jetzt in einer ähnlichen Situation und das hilft mir sehr.“ Und das gibt mir definitiv die Kraft, weiterzumachen.