Zwei Jungs gucken in einen Sonneuntergang am Meer, der eine hat den Arm um den anderen gelegt.

Wenn Papa eine Behinderung hat

Der Vater von Max und Sebastian lebt nach einem Autounfall mit einer Behinderung. Ein Gespräch über Fürsorge, zu kleine Parkplätze und Zusammenhalt.

Als Max (15) und Sebastian (13) noch sehr klein sind, hat ihr Vater einen Autounfall. Nach mehreren Operationen lebt er heute mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Wie der Alltag der beiden Brüder aussieht, erzählen sie hier.

Pausentaste: Max und Sebastian, wie fühlt es sich für euch an, dass euer Vater mit einer Behinderung lebt?

Sebastian: Also für uns ist das ganz normal. Wir sind damit aufgewachsen, dass er manchmal mehr Unterstützung braucht als andere Eltern.

Max: Ich würde auch sagen, dass sich unser Alltag gar nicht so sehr von anderen Kindern unterscheidet. Klar, wir müssen vielleicht mehr im Haushalt anpacken, aber das hält sich alles in Grenzen. Anders ist es nur, wenn wir draußen unterwegs sind. Dann ist es immer kompliziert.

Pausentaste: Warum, wenn ihr unterwegs seid? Was passiert dann?

Sebastian: Manche Dinge sind so banal, aber ich finde es zum Beispiel immer gemein, dass wir die Behinderten-Parkplätze nicht nutzen dürfen. Unser Vater hat Probleme mit dem Laufen und die normalen Parkplätze sind so klein, dass sie das Ein- und Aussteigen umständlich machen. Wir müssen auch immer darauf achten, ob es eine Toilette in der Nähe gibt. Falls der Weg zu weit ist, kann das unangenehm werden. Unser Vater kann nicht so gut weite Strecken laufen. Wenn wir ihn im Rollstuhl schieben, muss der Untergrund außerdem schon ganz gut sein.

Max: Genau, entspannt einkaufen oder mal auf dem Weihnachtsmarkt bummeln ist nicht. Diese Situationen können echt anstrengend sein, auch, weil ihn solche Sachen natürlich frustrieren und er dann auf sich wütend wird. Er ist ja nicht mit der Behinderung aufgewachsen, sondern kennt es auch anders. Was mich freut, ist die Hilfe, die wir auch von Fremden angeboten bekommen. Das finde ich toll, dass die meisten Menschen eigentlich so drauf sind, dass sie helfen wollen. Auch in der Schule oder in anderen Situationen finde ich es toll, wenn zum Beispiel ein Lehrer nachfragt, wie es mir geht, und ob ich Hilfe beim Lernen oder so brauche.

Pausentaste: Gibt es auch Dinge, die euch als Brüder und als Familie stolz machen?

Max: Ich finde, dass unsere Familie unglaublich stark ist. Unser Zusammenhalt als Team ist echt gut. Wir haben schon so viel zusammen erlebt, dass uns nichts auseinanderbringen kann. Das sagen uns auch ganz oft Freunde: „Ihr habt eine positive Einstellung und haltet immer zusammen.“

Sebastian: Oh, und nicht zu vergessen ist unser legendärer Familienurlaub. Einmal im Jahr mieten wir gemeinsam mit unseren Verwandten eine Woche lang ein großes Haus. Unsere Mutter hat acht Geschwister und mit den ganzen Cousinen und Cousins ist da immer was los. Das macht nicht nur uns Spaß, sondern es ist auch echt gut, dass Papa sich in die Gespräche einbringen kann. Außerdem gibt es immer jemanden, der uns, wenn nötig, mit dem Rollstuhl hilft. Papa wirkt in dieser Zeit immer sehr zufrieden.

Pausentaste: Was hilft euch, abzuschalten, wenn es doch mal stressig wird?

Sebastian: Ich gehe super gerne zum Handball. Da kann man eh immer gut Energie rauslassen. Egal, ob man wütend oder aufgekratzt ist. Deswegen finde ich es auch nervig, dass es gerade wegen Corona nicht stattfinden kann.

Max: Ich bin seit knapp drei Jahren bei der Jugendfeuerwehr, spiele Fußball und Geige. Gerade bei der Feuerwehr habe ich auch schon einiges gelernt, das ich im Alltag mit Papa nutzen kann. Witzigerweise ist zum Beispiel das Bewegen von Schlauchtrommeln auf Kopfsteinpflaster sehr ähnlich wie das eines Rollstuhls.

Pausentaste: Was würdet ihr anderen Jugendlichen in einer ähnlichen Situation raten?

Max: Auf jeden Fall, darüber zu reden! Man sollte nicht alles in sich hineinfressen, was man erlebt. Mit Freunden ist es am Anfang manchmal komisch, wenn sie sehen, dass mein Vater eine Behinderung hat. Sich darüber austauschen, über die vielen auch traurigen Dinge, die damit einhergehen, ist aber super hilfreich. Für mich käme es auch nie in Frage, meinen Vater zu verstecken. Man sollte sich nicht schämen.

Sebastian: Da stimme ich zu! Uns in der Familie hilft es außerdem zu sagen: „Dann ist die Situation so. Wir meistern das jetzt.“ Diesen Satz leben wir, er stärkt uns.