Zeichnung von 4 Personen, die im Grünen sitzen, eine Person sitzt im Rollstuhl, eine andere trägt einen Blindenstock

Modellprojekt an der TH Nürnberg entlastet pflegende Hochschulangehörige und Studierende

Die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm ist mit rund 13.000 Studierenden sowie 2.500 Lehrenden und Beschäftigten bundesweit eine der größten Hochschulen ihrer Art. Neben Forschung und Innovation legt die fränkische Hochschule außerdem Wert auf Familienfreundlichkeit. Dazu zählen nicht nur Angebote zur flexiblen Kinderbetreuung, sondern auch Unterstützungsleistungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Pflege.

Die Initiative OHMCare möchte Studierende, Beschäftigte und Lehrende mit Pflegeverantwortung durch stundenweise qualifizierte Betreuung entlasten, indem sie Betroffene mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zusammenbringt. Begonnen wurde das Projekt im August und September 2020 mit einer Bedarfsumfrage unter den Hochschulangehörigen. „Mir war klar, dass es Bedarf gibt – aber, dass dieser so hoch sein würde, hätte ich nicht gedacht“, sagt die Koordinatorin des Hochschulischen Gesundheitsmanagements, Bianca Adler, im Gespräch. Denn von 288 Studierenden gaben 56 Teilnehmende an, Hilfe zu benötigen, während dies von 152 Lehrenden und Beschäftigten sogar 42 bejahten. „Das finde ich viel,“ merkt Bianca Adler an.

Nach Ermittlung der tatsächlichen Nachfrage wurde in Zusammenarbeit mit der Angehörigenberatung e. V. Nürnberg das heutige Angebot konzipiert und realisiert: Benötigen Hochschulangehörige eine soziale Betreuung für pflegebedürftige oder betagte Familienmitglieder, so können sie sich nun an den Hochschulservice für Familie, Gleichstellung und Gesundheit (HSFG) wenden. Dieser leitet dann die Vermittlung einer Betreuungsperson über die Angehörigenberatung e. V. Nürnberg in die Wege. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer werden beim Erstgespräch mit den anfragenden Hochschulangehörigen und der pflegebedürftigen Person durch eine Fachkraft der Angehörigenberatung begleitet.

Die aufgewendete Zeit kann als sogenannter Entlastungsbetrag über die Pflegeversicherung abgerechnet werden. Alle Helferinnen und Helfer werden gemäß Sozialgesetzbuch für die „Unterstützung im Alltag“ (§45a SGB XI) geschult und nehmen verpflichtend an Modulen zu den Themen „Betreuung Pflegebedürftiger“, „Kommunikation und Begleitung“ sowie „Unterstützung bei der Haushaltsführung“ teil. So wird eine durchgehend hohe Betreuungsqualität sichergestellt.

Das Problem sei in vielen Fällen allerdings, dass Hilfe erst spät in Anspruch genommen werde, wenn sich die Betroffenen sehr ausgelaugt fühlen und nicht mehr weiterwissen, berichtet Koordinatorin Adler. Darum wird bereits in der Erstberatung stets darauf hingewiesen, wie wichtig es für pflegende Angehörige ist, auf sich selbst zu achten und die eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. „Ich möchte jungen Menschen und Studierenden mit Pflegeverantwortung mitgeben, dass sie sich Unterstützung holen sollten, denn sie leisten enorm viel und sind sich dessen oft gar nicht bewusst. Es gibt aber Angebote, die sie entlasten und die sollten sie in Anspruch nehmen,“ so Adler weiter.

Die Rückmeldungen zur Initiative sind durchweg positiv. Ein Student, der aufgrund seiner Pflegeverantwortung an den Studienort Nürnberg gebunden ist, erzählt: „Durch die Beratung von OHMCare wurde mir bewusst, dass die Leistungen aus der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege kombiniert werden können und es dadurch besser möglich ist, die Pflegeleistungen an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. So kann ich jetzt an zwei Tagen intensiv an meiner Masterarbeit schreiben, während eine Bekannte an diesen Tagen für circa 4 bis 5 Stunden die Pflege übernimmt.“ Dies bedeute für ihn nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine zeitliche Entlastung.

Gleichzeitig können auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer von OHMCare profitieren. So schildert eine Studentin, die sich schon länger freiwillig bei der Angehörigenberatung e. V. Nürnberg engagiert: „Für mich ist es zum einen eine gute Möglichkeit, einen Ausgleich zum Lernalltag zu schaffen. Zum anderen ist für meinen Studiengang Soziale Arbeit praktische Erfahrung vor dem Einstieg ins Berufsleben essenziell, die Tätigkeit als ehrenamtliche Helferin ermöglicht mir auf niederschwellige Art und Weise einen umfassenden Einblick in ein wichtiges Arbeitsfeld der Sozialarbeit. Zudem entstand durch die wöchentliche Arbeit eine neue persönliche Verbindung zu jemandem, dessen Lebensrealität sich zwar von meiner unterschied, wir aber viele gemeinsame Interessenspunkte fanden. Ich hatte jede Woche Spaß, meine Tätigkeit auszuüben, die sich nicht nach Arbeit, sondern nach einer interessanten Weise, eine andere Person für ein Stück ihres Lebens zu begleiten, anfühlte.“

 


Weitere Materialien für Fachkräfte an Hochschulen sind hier erhältlich, um pflegende Studierende auf bereits vorhandene Hilfsangebote, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hochschule, aufmerksam zu machen. Pflegende Studierende finden nützliche Informationen und Unterstützungshinweise auch im Flyer des BMFSFJ.