schwarzweiße Porträtfotografie von Gaby

„Für dein Anliegen haben wir alle Zeit der Welt!"

Gaby von der Nummer gegen Kummer freut sich, anderen zu helfen. Sie hat für eure Probleme und Sorgen ein offenes Ohr.

Gaby ist ein fröhlicher Mensch. Sie lacht viel, ist aufgeschlossen und kommunikativ. Die 51-Jährige arbeitet als Hospizbegleiterin und berät seit sieben Jahren außerdem ehrenamtlich bei der Nummer gegen Kummer. Dort hört sie euch zu und hilft euch, wenn ihr Probleme habt. Im Interview erzählt Gaby von ihrer Arbeit.

Hi Gaby, schön, dass du dir Zeit genommen hast. Erzähl doch mal: Warum hast du als Beraterin bei der Nummer gegen Kummer angefangen?

Das hat einen ganz einfachen Grund: Nachdem meine Tochter ausgezogen war, fehlte mir der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Ich bin dann durch einen Zeitungsartikel auf die „Nummer gegen Kummer“ gestoßen. Jetzt arbeite ich am Telefon und mache auch die E-Mail-Beratung. Von Anfang an hatte ich richtig viel Freude an der Beratung – und habe das bis heute!

Das ist gut zu hören! Was fasziniert dich an deiner Arbeit?

Natürlich die Tatsache, dass man jemanden am Telefon hat, dem man helfen kann. Viele bedanken sich und sagen „es geht mir viel besser“, „es ist gut, dass es euch gibt“ und „macht weiter so“. Das ist wirklich toll. Ich nehme Kinder und Jugendliche sehr ernst. Und ich möchte sie dort abholen, wo sie gerade sind.

Wie gehst du damit um, dass viele Angst davor haben, mit der Nummer gegen Kummer zu sprechen, und vielleicht erst mal ganz schüchtern sind?

Viele wollen am Anfang testen, wer da am anderen Ende sitzt und legen schnell wieder auf. Wenn jemand dranbleibt, gehe ich ganz persönlich auf ihn oder sie ein. Ich betone, dass das Gespräch selbstverständlich anonym ist, und dass wir es jederzeit beenden können. Und ich versuche das Gefühl zu geben: Dein Anruf war genau das richtige – es ist toll, dass du dran bist. Denn es ist sehr schwierig, über das zu sprechen, was einen bewegt – vor allem mit jemandem, den man nicht kennt.

Das ist ja nicht nur so, wenn man jung ist.

Ganz genau. Das ist für jeden schwer, egal wie alt man ist. Und wenn man diesen Schritt geschafft hat, ist ein Anfang gemacht.

Allerdings! Aber sag mal, wie kann ich mir das vorstellen, wenn ich jetzt bei dir anrufe? Wie würde das Gespräch denn losgehen?

Am Anfang unterhalten wir uns ganz normal. Ich frage dann: „Wie alt bist du?“, „Hast du Geschwister?“ „Verstehst du dich mit deinen Eltern?“ „Was sind deine Lieblingsfächer?“. Wenn du noch nichts so richtig erzählen möchtest, biete ich an, dass ich erst mal weiter Fragen stelle. Dabei gilt immer: Antworte nur, wenn du auch wirklich willst. So nähern wir uns dann nach und nach dem Problem.

Das geht manchmal sicher schneller, manchmal langsamer, oder?

Ja, allerdings. Das ist aber auch vollkommen in Ordnung, denn jeder hat da seine ganz eigene Geschwindigkeit. Ich appelliere immer daran: Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Wir haben alle Zeit der Welt, um über dein Anliegen zu sprechen. Denn du bist genau jetzt für mich wichtig. Ob das Gespräch dann zwei Minuten oder zwei Stunden dauert, ist vollkommen egal.

Kannst du mir etwas darüber erzählen, mit welchen Themen ihr in der Beratung zu tun habt?

In den letzten Jahren sind die Anliegen ernster geworden.Mittlerweile melden sich sehr viele bei uns, die psychische Probleme haben. Das nehmen wir sehr ernst. Da frage ich dann ganz genau nach, um einschätzen zu können, wie gefährdet der- oder diejenige am anderen Ende der Leitung ist. Und dann versuche ich ihnen zu zeigen, welche Hilfe es gibt und an wen er oder sie sich auch vor Ort wenden kann.

Das ist ja der entscheidende Schritt, vor dem sich einige sicher fürchten.

Das ist richtig, ja. Deswegen erklären wir in der Beratung auch, was passiert, wenn man sich Hilfe holt. Dazu klopfen wir ab, ob du schon bereit dazu bist, über weitere Hilfe zu sprechen, also: „Hast du schon mal daran gedacht, dir Hilfe zu holen? Und wie stellst du dir vor, was dann passiert?“ Dann erklären wir den Ablauf, um die Angst davor zu nehmen. Und geben weiter, welche Beratungsstellen in der jeweiligen Nähe sind. Denn häufig fehlen einfach die richtigen Infos, wer wirklich helfen kann.

Ist es denn auch so, dass ich wieder bei euch anrufen und dann nach dem Berater oder der Beraterin fragen kann, den oder die ich schon kenne?

Anrufen kannst du, sooft du willst! Am Telefon mit dem Berater oder der Beraterin vom letzten Mal zu sprechen, ist aber eher schwierig, denn die Anrufe werden immer an die nächste freie Leitung übermittelt. Dass du mit demselben Berater oder derselben Beraterin wiederholt sprechen kannst, ist dann eher zufällig. Bei der E-Mail-Beratung hingegen kümmert sich immer die gleiche Person um dich, die es von Anfang an getan hat. Es sei denn, du wünschst dir einen Wechsel.

Wer meine Geschichte schon kennt, ist dann also weiter für mich da – das ist beruhigend. Gibt es denn etwas, was du durch deine Arbeit gelernt hast?

Es macht sehr viel Spaß, anderen zu helfen. Die Arbeit ist wirklich toll, denn man trifft besondere Menschen. Ich mag den Austausch. Zum anderen habe ich gelernt, Probleme anders und viele Sachen entspannter zu sehen. Für mich ist das Glas immer halb voll – nicht halb leer.

Wenn du jetzt nochmal jung wärst, würdest du bei der Nummer gegen Kummer anrufen?

Ich denke schon, ja. Zu unserer Zeit waren die Eltern noch nicht so aufgeschlossen wie heute. Meine Tochter und ihre Freunde konnten immer auch mit mir über Probleme reden. Die Möglichkeit hatte ich nie und das haben auch heute nicht alle. Zu meiner Zeit gab es einfach nicht, dass Kinder und Jugendliche Gehör fanden. Heute ist das Angebot da und Kinder sollten das nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch!